Winch me Up Scotty!
Schwerpunktkupplungsretrofit für die E17 „ApisJet“
Schon während sich der „ApisJet“ auf dem Sommertreffen 2023 erfolgreich auch durch den letzten High-Risk-Versuch der Flugerprobung getrudelt hat, wurde an der nächsten Idee gearbeitet, wie man den Prototypen E17 nach der Flugerprobung als fliegendes Messlabor einsetzen kann. Auch wenn er in den Augen der aktiven Mitglieder der FTAG natürlich makellos erscheint, fehlt ihm eine entscheidende Komponente – die Schwerpunktkupplung!
Windenstarts sind in der FTAG die prominente Startart um Schüler, Scheinpiloten und Alumni in die Luft zu bringen. Genau deshalb war es für uns besonders wichtig, dass dieser Prototypen nicht nur über eine Bugkupplung, sondern auch eine Schwerpunktkupplung verfügt. An motivierten Aktiven mangelt es erstmal nicht, so wurden bereits im Frühjahr 2024 die ersten Studien- und Abschlussarbeiten fertiggestellt, die sich mit dieser Problemstellung beschäftigt haben. Unteranderem wurde die statische Längsstabilität im Windenstart untersucht, sowie analytische sowie numerische Berechnungen zur Festigkeit der Zelle durchgeführt.
Steuerbarkeit im Windenstart
Im Windenstart ist die Längsstabilität ausschlaggebend dafür, ob der Start überhaupt flugmechanisch umsetzbar ist. Durch die Seilkraft und -richtung des Windenseils wird während des Startvorgangs ein zusätzliches Moment induziert, welches durch einen entsprechenden Höhenruderausschlag ausgeglichen werden muss. Ob der „ApisJet“ dazu im Stande ist, wurde mithilfe einer Untersuchung der Längsstabilität nach den Bedingungen der CS22.583 überprüft. Zu diesem Zweck wurde ein Tool in Matlab entwickelt, mit dem man eine aus beliebig vielen trapezförmigen Segmenten bestehende Tragfläche modellieren kann, um die Neutralpunktlage in Richtung der Flugzeuglängsachse zu bestimmen. So wurden die Neutralpunkte von Tragfläche und Höhenleitwerk bestimmt. Anschließend hat man die Auftriebs- und Momentenbeiwerte der Tragfläche und des Höhenleitwerks in einem Anstellwinkelbereich von -10 bis +20° in 0,5° Inkrementen mithilfe von XFOIL bestimmt. Die maximalen Höhenruderausschläge wurden am Flugzeug abgemessen und in 1° Inkrementen von dem minimalen Höhenruderausschlag (-30°, Höhensteuer gezogen) und dem Maximalen (+15°, Höhensteuer gedrückt). Somit konnte der Auftriebsbeiwert des Höhenleitwerks in Abhängigkeit der zwei Parameter Anstellwinkel und Ruderausschlag ermittelt werden. Nun kann man ein Kräfte- und Momentengleichgewicht mit einem Seilwinkel von 0° in Flugrichtung und 75° nach unten aufstellen und ermitteln bis zu welcher Seilkraft der „ApisJet“ ausreichende Höhenruderautorität aufweist, um die Steuerbarkeit sicherzustellen. Das Ergebnis der Berechnungen besagt, dass beim Anschleppen das aufnickende Moment bei einer Seilkraft von 600daN (blaue Sollbruchstelle) durch das Höhenruder bei einer festgelegten Windenstartgeschwindigkeit ausgeglichen werden kann. Bei 75° Seilwinkel lässt nur eine Seilkraft, die hier abnickend wirkt, bis zu 400daN aussteuern.
Vergangene Windenstartvermessungen haben jedoch ergeben, dass die Seilkraft vor dem Ausklinken deutlich abnimmt, somit müsste die Höhenruderautorität trotzdem ausreichend sein, um den Windenstart erfolgreich durchführen zu können.
Struktureller Nachweis der Tragflächen
Der Windenstart geht mit einem völlig neuen Lastfall für den „ApisJet“ einher. Nicht nur für das Amt, sondern auch fürs Gewissen möchte dieser natürlich nachgewiesen werden. Die einzigen Informationen zur Nachweislage unseres Flächenpaares sind jedoch lediglich die Aussage, dass diese vom Apis 2 übernommen wurden und bereits nach CS22 ausgelegt und nachgewiesen sind.
Um für den neuen Lastfall kein komplettes Reverse Engineering der Tragflächen durchführen zu müssen, hat man sich dazu entschieden lediglich die wahrscheinlich dimensionierenden Lastfälle für den „ApisJet“ nachzurechnen und diese mit dem neuen Windenstartlastfall zu vergleichen. Sind die Schnittkräfte beim Windenstart geringer als die der nachgerechneten Vergleichslastfälle sollte die Festigkeit der Tragflächen gewährleistet sein.
Als Vergleichslastfälle wurden der Abfanglastfall CS 22.337 bei MTOW sowie der Böenlastfall CS 22.341 bei min. und maximaler Abflugmasse untersucht. Möchte man nun die Schnittkräfte in der Fläche berechnen ist Kenntnis über den erzeugten Auftrieb und dessen Verteilung sowie der Gewichtsverteilung von Nöten. Der benötigte Auftrieb lässt sich einfach über das Kräftegleichgewicht bestimmen und Constant Lift- Analysen in XFLR5 liefert die Auftriebsverterteilung für den jeweiligen Flugzustand.
Bei der Gewichtsverteilung wurde die Tragfläche in einzelne Komponenten wie Holm, Schale, Steg, etc. zerlegt und diesen Komponenten mathematisch einfache Verteilungen, sowie ein prozentueller Anteil an der Gesamtmasse der Tragfläche zugewiesen. Zu erwähnen ist hierbei, dass beim Windenstart keine Lastvielfache wirken und anders als beim Abfang- und Böenlastfall keine Massenentlastung der Tragflächen stattfindet.
Nun lassen sich die Schnittkräfte für die einzelnen Lastfälle berechnen. Es fällt auf, dass der Windenstartlastfall kleinere Schnittkräfte erzeugt als der Vergleichslastfall (Hier Böe bei Va und MTOW). Die Sicherheit zum Vergleichslastfall beträgt hier ca. 1,5 – Wir können also davon ausgehen dass die Tragflächen dem Windenstart standhalten!
Struktureller Nachweis der Rumpfstruktur und Kupplungsanbindung
Da der „ApisJet“ nicht nur aus Tragflächen besteht (Grüße an Karlsruhe) ist logischerweise auch die Festigkeit der Rumpfstruktur im Windenstart nachzuweisen. Hier hat man sich dafür entscheiden mit einem Belastungsversuch die Festigkeit von Rumpf und der Kupplungsanbindung an den Rumpf nach den Bedingungen in CS22.585 nachzuweisen. Es ist nun mit einer 1,5-fachen Seillast in die Richtungen aus CS22.583 zu ziehen und nach CS22.305 die Maximallast für drei Sekunden zu halten, ohne bleibende Verformungen zu verursachen.
Um die Spannungszustände im Rumpf besser qualitativ zu beurteilen und unter Umständen im Belastungsversuch mittels DMS (Dehnmessstreifen) aufzeichnen zu können, wurde aus dem CAD-Modell der E17 zusammen mit dem Rumpfbelegungsplan ein FEMA-Modell erstellt. Dort konnten kritische Spannungsstellen für Faserverbund- und Metallbauteile lokalisiert und quantifiziert werden. Für den echten Belastungsversuch sollen diese Stellen durch DMS überwacht werden, damit der Versuch bei einer deutlichen Überschreitung der Spannungswerte abgebrochen werden kann, um eine Zerstörung des Rumpfes vorzubeugen.
Die Versuchsplanung befindet sich in den letzten Zügen und der Belastungsversuch soll planmäßig im ersten Quartal des Jahres 2025 durchgeführt werden.
Fertigung der Kupplungsanbindung und -ansteuerung
Die Fertigung der Kupplungsanbindung ist mittlerweile fast vollständig abgeschlossen. Durch die Formabnahme der Rumpfkontur liegt die zweiteilige Kupplungsanbindung aus einem quasiisotropen CFK-Köper, getreu dem Motto „Gib Klebespalten keine Chance!“ am Fahrwerkskasten und Rumpf an. Aufgrund der Werkstoffauswahl von einem Titan Grade 5 Werkstoffs für die Hülsen zur Krafteinleitung in die Faserverbundstruktur hat sich die hauseigene Fertigung etwas in die Länge gezogen. Erhöhter Werkzeugverschleiß sowie spontane Selbstentzündung ölgetränkter Titanfließspannester trugen hier maßgeblich zu etwaigen Verzögerungen bei.
Um für die Schwerpunktkupplung Platz zu schaffen, musste die Sitzschale umgestaltet werden. Absolutes Highlight war das Sägen und Bohren eines Ausschnitts für den Kupplungskäfig in den Flugzeugrumpf. Hier den Bohrer anzusetzen, provozierte die ein oder andere Schweißperle und markierte zweifelsohne den Point of no Return für unser Vorhaben.
Auch die Ansteuerung der Kupplung ist bereits größtenteils fertig konstruiert und soll ebenfalls im ersten Quartal 2025 im „ApisJet“ verbaut werden.
Turbinchen mit Problemchen
Nachdem auf dem Sommertreffen 2023 die Enttäuschung über die Fehlfunktion unserer Turbine sehr groß war, wurde diese im Rahmen des SPK Retrofits ausgebaut und auf etwaige Fehlfunktion untersucht. Als Ursache für die Fehlfunktion konnten eine defekte Lötstelle im Drehzahlsensorkabel sowie durchgebrannte Glühkerzen identifiziert werden. Leider blieb der Erfolg nach Tausch dieser Komponenten weiterhin aus – die Vermutung liegt nahe, dass die ECU (electronic control unit) der Turbine nicht ausreichend Strom für beide Glühkerzen zur Verfügung stellte. Erst ein serieller Bypass und Neukonfiguration der ECU konnte das Problem nachhaltig lösen. Langfristigen Erfolg sollen nun außerdem Glühkerzen der Firma Enya schaffen. Leider scheinen die Jet- Systeme wie auch wir eines im Apis haben immer noch nicht vollends ausgereift zu sein. Der Ursprung aus dem Modellbau ist dem System leider deutlich anzusehen. Dennoch hoffen wir die meisten Kinderkrankheiten nun ausgemerzt zu haben und unsere Entropiemaschine wieder in den Tiefen des „ApisJet“ Rumpfes platzieren zu können.
Ausblick
Mit dem SPK- Retrofit am „ApisJet“ rückt die FTAG wieder einen Schritt näher an das idaflieg Motto „forschen, bauen, fliegen“ und auch ein potenzielles fliegendes Nachfolgeprojekt erscheint nunmehr nicht mehr ganz so einschüchternd. Wir hoffen den Umbau und sämtliche Nachweise noch im Frühjahr abzuschließen und den „ApisJet“ baldmöglichst an die Winde hängen zu können.
Zusammen mit der fortgeschrittenen Flugerprobung hoffen wir zudem viele neue Pilot:innen auf den „ApisJet“ einweisen zu können und somit einen großen Motivationsschub in die aktive Gruppe zu tragen.
2025 fiebern wir ebenfalls einer Teilnahme auf dem Schimmelcup mit der E17 (sofern es die VVZ zulässt) sowie einer Flugerprobungskampagne auf dem Sommertreffen entgegen. Kopfschmerzen bereiten uns noch die Turbine, auch bekannt als „Fuel to Noise Converter“ und dessen Lärmemissionen. Wir blicken jedoch zuversichtlich auf das kommenden Jahr und freuen uns auf neue Projekte und Herausforderungen mit und um die E17 „ApisJet“.